Die Ursprungs-Idee:
Eine Weihnachtskrippe in der Nikolaikirche

Für alle Sonn-und alle Festtage im Kirchenjahr wurde die Nikolaikirche Felsberg stets liebevoll und dem Sinn der jeweiligen Kirchenjahreszeit entsprechend geschmückt und fast immer auch mit passenden Blumen und Blütenfarben. Dabei kam man ins Gespräch und 1996 zum ersten Mal auf die Idee, eine Weihnachtskrippe anzuschaffen. Auch nach dem Fest wurde die Idee immer wieder aufgegriffen und schließlich das Fehlen einer Krippe als wirkliches Defizit empfunden. Die bildlich figürliche Darstellung der Weihnachtsgeschichte(n) war für einen Gottesdienstraum ohnehin angemessener, weil biblischer, als der freilich nicht zu missen wollende Weihnachtsbaum. Auch wurde in den Gesprächen deutlich, dass seit der Anschaffung eines über dem Altar hängenden Holzkreuzes mit Korpus aus einer Holzschnitzerei nahe Augsburgs (seiner Zeit von Altbürgermeister Ernst Schaake und seiner Frau Barbara empfohlen) und der Anschaffung eines Taufsteins aus Sandstein anstelle der vorhandenen Taufschale nach der Kirchenrenovierung 1972 keine Störung der ehemals streng reformierten Tradition der Gemeinde mehr bedeutet hatte. Schließlich wurde schon in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts durch Kirchenvorstandsbeschluss der frühere Name „Evangelisch-Reformierte Kirchengemeinde Felsberg“ in nur noch „Evangelische Kirchengemeinde Felsberg“ umbenannt. Das bedeutete nichts anderes, als dass eigentlich typisch lutherische Traditionen neben den reformierten wie selbstverständlich in der Nachkriegszeit toleriert wurden.

Neue Wege

Nach Vorüberlegungen der beschriebenen Art wurde es in der Kirchenvorstandssitzung am 08.April 1997 ernst und konkret. Wegen vorhandener Spendenmittel fasste der Kirchenvorstand den Grundsatzbeschluss, den lang gehegten Gemeinde- und KV-Wunsch Wirklichkeit werden zu lassen, und für die Nikolaikirche eine Weihnachtskrippe anzuschaffen. Was daraus für ein Projekt entstehen sollte, übersah am 08.04.1997 noch niemand, und ich werde das im Laufe dieser Chronologie beschreiben und hier nur so viel sagen, dass im Kirchenvorstand einmal Ehrenmitglied Manfred Schaake empfahl, die Kasseler Herbstmesse 1997 zu besuchen, denn als Redakteur der Kasseler HNA wusste er, dass dort eine Krippenausstellung dazugehören würde. Gern nahm der KV den Vorschlag an. Zum anderen empfahl Elfriede Linne ihren Schwiegersohn, Holzbildhauer Andreas Tollhopf, der an der Holzbildhauerschule Bischofsheim in der Rhön seine künstlerische Ausbildung erfahren hatte, als Künstler für das Projekt. Somit galt als Startschuss der 08. April 1997. Am 09.09.1997 bewarb sich Andreas Tollhopf offiziell und persönlich im KV und stellte seine eigens modellierten Krippenfiguren vor, die allen auf den ersten Blick sehr gefielen.

Modellierte Krippenfiguren

Niemandem schwebte etwas anderes als eine figürliche Krippe vor und dem hatte sich auch der Holzbildhauer angepasst. Beschlüsse aber wurden noch nicht gefasst, denn der Besuch der Kasseler Herbstausstellung stand ja bevor, und dort versprach sich jeder vergleichende Eindrücke der aus aller Welt ausgestellten figürlichen Krippen. Enttäuscht wurde auf der Herbstmesse niemand. Das für die Felsberger Nikolaikirche zu realisierende Projekt wurde sogar immer spannender, denn die in aller Welt lokal angebundenen Krippendarstellungen erinnerten die Felsberger Ausstellungsbesucher spontan an eins der in Felsberg aufgeführten Krippenspiele mit dem Titel „Bethlehem ist überall“. Allein dieser Titel bedeutete eine kleine Weihnachtsverkündigung. Es war interessant, in Kassel Krippen der indigenen Bevölkerung Südamerikas zu bewundern, auch solche aus Afrika mit Figuren ausschließlich schwarzer Hautfarbe – nicht allein einer der drei „Heiligen Könige“ – Entsprechendes aus Asien, aber auch innerhalb Deutschlands, die Krippen etwa aus Oberbayern oder dem Erzgebirge. »Alles prima, aber für den Import ins nordhessische Felsberg geeignet?«, fragten wir uns. Wenn »Bethlehem überall« ist, was wollen wir in Felsberg? Glücklicherweise trieb nach dieser wichtigen Erfahrung niemand einen »Schnellschuss« für die bevorstehende Weihnachtszeit 1997 voran, nur damit »endlich« die Nikolaikirche eine Weihnachtskrippe erhalten würde.

Weihnachtskrippe und Alternative: Relief

Ich stellte wegen aller Überlegungen der Messeerfahrung in Kassel zum ersten Mal Andreas Tollhopfs alternativ zu seinen gestalteten Krippenfiguren, nämlich seine großflächigen Reliefarbeiten auf Eichenholzbohlen vor und dass ein solches Relief 2qm groß wie ein Antependium vor dem Altar stehen könnte. Diese Idee lag zunächst natürlich in gezeichneter Form und als kleineres Arbeitsmodell vor, was etwas Phantasie und Einfühlungsvermöge erforderte. Es schien spürbar auf Interesse zu stoßen. Beschlüsse wurden noch nicht gefasst. Auch hatte kaum jemand Eile, denn eine Krippe gab es ja noch nie, und jetzt sollte etwas Wohlüberlegtes geschehen.

Krippe oder Relief? Auf jeden Fall etwas für Felsbergs Nikolaikirche Typisches

So verging die nächste Weihnachtszeit zwar ohne Felsberger Krippe in der Nikolaikirche, aber doch mit vielfältigen Modellen im Kopf vieler Gemeindemitglieder und der Gewissheit, dass nichts verschleppt, sondern gut überlegt auf jeden Fall zum Ziel führen würde.

Gleich nach der Weihnachtszeit, nämlich am 18. Januar 1998, vergab der Kirchenvorstand die geplante Weihnachtskrippe für die Nikolaikirche an Holzbildhauer Andreas Tollhopf, aber immer noch ohne die Entscheidung, ob es eine figürliche Krippe werden sollte oder eine Weihnachtsdarstellung als Holzrelief. Der Bildhauer sollte dazu eingeladen werden. Die Tendenz der Gespräche aber ging tatsächlich zum Relief. Entscheidend für die Wahl der Beauftragung Andreas‘ Tollhopfs blieb dieses: Der Besuch vieler und besonders der KV-Mitglieder, die die vielfältigen Krippen auf der Kasseler Messe gesehen hatten, dazu die Bethlehemkrippe von Familie Schaake, die bayrisch barocke von Familie Fröhlich-Gildhoff, die erzgebirgische, die uns Frau Engler beschaffen könnte, haben alle tiefe Eindrücke hinterlassen, aber bezogen sich eben alle auf ihre je eigene lokale Tradition. Tradition. Wir erinnerten im KV auch die Kirchenfenster in Nazareth, die die Israel-Reisegruppe dort gesehen hatte: Viele verschiedene Nationen haben der Kirche Fenster mit Darstellungen von Maria mit dem Kind geschenkt, dargestellt mit jeweils heimattypischen Motiven, wie z. B. im Japanfenster, wo Jesus und Maria Gesichtszüge tragen, als seien sie in Fern-Ost zu Hause gewesen. Ein Holzbildhauer wie Andreas Tollhopf aber, in Nordhessen beheimatet und in Osthessen ausgebildet, könnte die Weihnachtskrippe am ehesten »zu uns nach Hause holen«. Darin läge der Reiz, etwas Felsberg-Typisches und vor allem Einmaliges arbeiten zu lassen und nicht etwas zu kaufen, was es überall gibt und woanders ortstypisch ist. Mit Andreas Tollhopf könnte ein zeitgenössischer und ortsnah arbeitender Künstler etwas für die Nikolaikirche Felsberg Einzigartiges schaffen, sei es nun figürlich oder als ein flächiges Relief.

Das Weihnachtsrelief ist geboren

Im KV-Protokoll zum 10. März 1998 mit Sitzungsteilnahme von Andreas Tollhopf ist ähnlich wie hier und ausführlich beschrieben, dass und wie es zur Entscheidung zugunsten des „Weihnachtsreliefs“ gekommen ist. Lesens- und beachtenswert! Hier sei bezeichnend und augenzwinkernd daraus nur der Einwurf des stets humorvollen Kirchenvorstandsmitglieds Karl Imming erwähnt, der zur Entscheidung, die nun unausweichlich auf das Relief hinauslaufen sollte, einwarf: „Leute, ich möchte darauf hinweisen, dass zahlreiche Kirchengemeinden, die sich für eine figürliche Krippe entschieden haben, oft darunter leiden, dass Figuren selbst aus Kirchen immer wieder gestohlen werden. Das ist natürlich traurig, aber ein großes Problem. Ich möchte den sehen, der einfach so acht große, schwere und zusammengefügte Eichenbalken stiehlt. Das ist doch auch ein Argument für’s Relief, nicht wahr?“ Nach diesem Einwurf tat sich niemand mehr schwer. Er wurde der Tropfen, der das volle Fass, nun endlich eine Entscheidung zu treffen, zum Überlaufen brachte. Da wir uns in dieser Chronologie ja noch vor Frühlingsbeginn des Jahres 1998 befinden, ist zu sagen, dass sich jeder im Kirchenvorstand sicher war, das Weihnachtsfest des Jahres 1998 würde in der Nikolaikirche ein außergewöhnliches kunstfertiges Relief verschönern und fortan jedes Weihnachtsfest. Hochmotiviert und erfreut ging Holzbildhauer Andreas Tollhopf an die Arbeit. In den Monaten bis zum Fest begleiteten Andreas Tollhopfs Arbeitsfortgang im Atelier seines Hauses in der Kasseler Fulda-Aue nahe der Kasseler Neustadt sowohl einzelne Gemeinde- und Kirchenvorstandsmitglieder, besonders meine Frau und ich und zweimal auch organisiert der gesamte Kirchenvorstand. Das Weihnachtsrelief begeisterte immer mehr und jeder und jede nahm die weihnachtlichen Motive in Vorfreude mit nach Hause und übrigens auch den Duft der Lohspäne im Atelier.

Weihnachten 1998: Zum ersten Mal und von nun an jährlich stand in der Weihnachtszeit wie ein Antependium das Weihnachtsrelief von Holzbildhauer Andreas Tollhopf, Kassel, vor dem Altar der Nikolaikirche und zeigte, seitlich beleuchtet, seine Schönheit und seine Effekte. Selbstverständlich meditierte ich in der Spätandacht des Heiligabends in Anwesenheit des Bildhauers das Kunstwerk. Eine meiner Bildbeschreibungen soll deshalb auch auf der nächsten Seite Platz greifen: